Seinen Wissendurst kann man in einer Welt voller Wunder auf vielerlei Art und Weise stillen.
Als ich klein war, galt zunächst mein Interesse meiner nächsten Umgebung. Was gab es da alles zu entdecken, allein schon in unserer Wohnung.
Ich habe zum Beispiel herausgefunden, daß man aus einer Wand nur dann Stücke herausbeißen kann, wenn sie von Innen mit Rigips isoliert ist und man eine freie Ecke erwischen kann. Herrchen gefiel das Ergebnis dann offenbar nicht, er hat die Lücke wieder gefüllt. Wenn man hingegen Rauhfasertapeten glätten will, indem man vorstehende Knübbelchen vorsichtig mit den Zähnen zu entfernen versucht, enstehen häßliche Flächen, die von Frauchen mit Karton in unterschiedlichen Formen und Farben überklebt werden. Da war die langweilige weiße Wand gleich viel schöner.
Stofftiere kann man am besten aufkauen, wenn man die Nähte freilegt. Das heißt, man entfernt Haare, Augen und Nase des Plüschtieres, bis man auf eine Naht stößt. Diese läßt sich bequem zerkauen, und dann kommt man endlich an den Inhalt. Es ist wirklich erstaunlich, wieviel Watte sich in einem kleinen Tier befindet und auf wieviele Quadtratmeter Teppich man sie verteilen kann. Allerdings muß man schon ordentlich arbeiten, wenn man wirklich auch den letzten Rest erwischen will.
Meine Untersuchungen haben auch meine Sammlerleidenschaft entfacht. Dinge, die ich gerne haben wollte, habe ich in mein Körbchen geschleppt und nicht kaputt gemacht. Fündig wurde man fast überall. Aus dem Badezimmer habe ich Socken, T-Shirts und sogar mal ein Sweatshirt entführt. Im Flur habe ich alle Arten von Schuhen gefunden. Am liebsten waren mir die pinkfarbenen Stiefeletten von Frauchen (ich habe irgendwie eine Vorliebe für Rottöne), aber auch mit den Turnschuhen von Herrchen habe ich mich abgeschleppt. Leider durfte ich die Sachen nie behalten. Kaum hat einer meiner Leute gesehen, wie ich voller Stolz und hocherhobenen Schwanzes mit meiner Beute zum Körbchen getrabt bin, kam der Betreffende hinterher und nahm mir sie wieder ab. Echt gemein! Einmal habe ich einen seltsamen Gegenstand vom Tisch mitgenommen. Ich wußte nicht so recht, etwas damit anzufangen, aber es war merkwürdig, wenn man hindurch sah. Derweil war mein Herrchen in der ganzen Wohnung auf der Suche nach seiner Lesebrille. Ich fand das lustig und habe suchen geholfen, obwohl ich gar nicht wußte, worum es ging. Schließlich inspizierte er mein Körbchen und holte meine neuste Errungenschaft heraus. Das war also eine Lesebrille. Interessant!
Ebenso wie die Wohnung war auch der Garten hochinteressant. Mein Wissensdurst trieb mich zu einigen, für mich sehr vergnüglichen Versuchen. Einmal wollte ich herausfinden, wie tief ich graben muß, um einen etwa fünf Meter hohen Lebensbaum zu Fall zu bringen. Ich machte mich also frisch ans Werk und grub mit Elan gleich am Stamm ein tiefes Loch in die Erde. Da ich auch anderweitig interessiert bin, unterbrach ich diese Tätigkeit einige Male, um andere archäologische Projekte in Angriff zu nehmen, zum Beispiel Löcher unter den Zaun hindurch zu buddeln, damit ich nicht immer hinüberspringen mußte, oder Mäusewohnungen aufzuspüren. An einem windigen Tag konnte ich schließlich das Ergebnis meines Experimentes mit dem Lebensbaum bewundern. Er neigte sich langsam aber unaufhaltsam dem Boden zu, bis er ganz flach lag. Eine reine Freude, das mitanzusehen. Der Vater meines Frauchens, er war der Hüter des Gartens, war aber überhaupt nicht von meiner gelungenen Aktion erbaut. Schimpfend und schwitzend richtete er den Baum wieder auf und schlug zusätzlich noch einen dicken Pfosten in den Boden. Alle weiteren Versuche, dieses spaßige Experiment zu wiederholen, schlugen fehl und brachten mir außer schmutzigen Pfoten, über die sich im Haus auch keiner freute, nichts mehr ein. Jetzt war ich geradezu gezwungen, meinen Tatendrang auf andere Projekte zu lenken, wie beispielsweise Blumen ausgraben, und wenn das nicht gelang, ihnen wenigstens die schönen, bunten Köpfe abzuknabbern, wobei mir die roten am besten gefielen. Nebenbei konnte ich auch noch alle möglichen Arten von Krabbel- und Kriechtieren probieren. Gut, meine Experimentierfreude bezüglich potentieller Nahrungsalternativen hat mir den einen oder anderen eiligen Stuhlgang beschert, dafür weiß ich aber, daß Kellerasseln und Spinnen definitiv nicht schmecken und daß Schnecken eine eigenartige Konsistenz haben.
Langeweile hatte ich jedenfalls nie! ... Und meine Leute auch nicht!
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